Überlegungen zur Ökologie nicht feuchttropischer Arten?

  • Hallo, angeregt durch meine hier im Forum dokumentierte Begegnung mit einer Mantis religiosa in Nordostsachsen im September hinterfrage ich gerade die Angaben zur Haltung im Netz. Diese eigentlich tropische Art schafft es, ihren Reproduktionszyklus hier von Mai bis Oktober durchzuziehen. Die Ootheken überdauern den mitteldeutschen Winter.

    Auf Reisen habe ich tatsächliche Frostnächte im Februar in der ägyptischen Wüste und im April im marokkanischen Atlas erlebt, z. B. dem Lebensraum von Blepharopsis mendica, die ich halte. Dazu lese ich bei den Haltungsangaben für diese Art: nicht unter 20 Grad. Wie geht das zusammen?

    Hat hier schonmal jemand mit den Zeitigungsbedingungen experimentiert? Ootheken im Kühlschrang gelagert, um die Schlupfzeit zu strecken? Oder sich anderweitig dazu schlau gemacht?

    Nach meinem ersten Fehlversuch habe ich jetzt zwei B. mendica, die sich bei mir erfolgreich von L4 zu 5 gehäutet haben und 1.1 sind, so alles gut geht werde ich befruchtete Ootheken bekommen, werde sie in gestaffelten Zeiten im Kühlschrank lagern und mal sehen, was schlüpft.

  • Hi,

    ein Freund eines Freundes ( ;) ) hatte M. r. 3 Generationen in Haltung.

    Ja draussen funktioniert das mit kühleren Tagen usw... nur Hauptunterschied (meiner Meinung nach) ist die Ernährung, draussen sitzen M. r. oft am reich gedecktem Tisch und sind trotzdem recht schmal wenn es kühler ist. Wenn es dann mehrere Tage wärmer ist errinnern die Zwerge an Tiere in Haltung (Kugelrund und immer hungrig).
    Einfach weil sie weniger fressen wenn die Temperaturen fallen.


    Anzumerken ist allerdings wenn der Generationsanfang recht kühl ist (also mehrere Wochen ohne richtige Hitzetage) sind die Mantis - Bestände in diesem Jahr auch scheisse und es verenden sehr viele Tiere.


    In Haltung hingegen klappt das leider nicht so richtig, auch in recht alten Berichten wirst lesen können das M. r. erst ab so ca 24 Grad aufwärts halbwegs funktionieren, 27 wär meine Empfehlung da die Tiere dann mit ihrem Appetit in etwa im Gleichklang scheissen.

    Wenn man bewusst weniger füttert wenns kühler ist und zwischendurch Tage mit hohen Temperaturen reinwirft wo viel gefüttert wird kann das vermutlich aber auch funktionieren. Denn auch an warmen Frühlingstagen steigt die Temperatur gerade in den Habitaten von M. r. stark an. (deutlich über die 22 Grad die viele als Zimmertemperatur haben)

    Nur wer will sich tatsächlich die Arbeit machen und Klimakurven und Futtertierverteilung simulieren wenn man direkt einen "Basiswert" nehmen kann in dem der Stoffwechsel auch mit regelmäßigem Futter funktioniert?

    Hatte auch vor Jahren eine Gruppe Parasphendale ab Juni in Freilandhaltung (wurden auch adult und es gab Nachzucht), da war des 1:1 zu beobachten was ich bei Mantis gesehn/gelernt hab. Trotz hohem Futterangebot wurde an kalten Tagen kaum gefressen und wenns heiss wurde wurde alles verschlungen was sich bewegt hatt.



    Zu den Ootheken im Kühlschrank.
    Ist ne super Sache bei Arten dies in der Oothek übern Winter schaffen. Bei M. r. würd ich mindestens 6 Wochen empfehlen, aber auch nach 4 Monaten schlüpfen sie noch brav. (auch wenn man die Ootheken nicht kühlt schlüpfen die Nymphen, nur kippen die dann gern in L2/3 um)


    Zu deinen B. mendica kann ich dir leider net wirklich was sagen da mein Freund ( ;) ) nur erfahrungen mit M. r. gesammelt hatt


    Glg Simon :P

    Mantiden sind doch auch nur missgebildete Schaben.

    :twisted:

    Die Kultur von Honigbienen ist kein Naturschutz.

  • Hallo Matthias,


    da ist ein Denkfehler in deinem Konzept.


    Mantis religiosa ist "weltweit" verbreitet. Sowohl in tropischen Gefilden, als auch im "Norden" bei uns. Berlin ist z.B. eines der nördlichsten Vorkommen weltweit. Das sind aber dann andere Unterarten wie die, die dann in z.B. Indien vorkommen. Und selbst wenn es keine eigenen Unterarten sind, dann haben sie sich doch an ihren Lebensraum angepasst.

    Vor einigen Jahren gab es zwei Stämme Idolomantis diabolica. Einmal aus Tansania, einmal aus Kenia. Einer der beiden Stämme (ich meine der aus Tansania), war relativ gut züchtbar und für viele Generationen in Zucht. Der andere Stamm, war unter den selben Bedingungen nicht (so gut) züchtbar. Der Stamm machte deutlich mehr Probleme. Nun könnte man doch eigentlich meinen "eine Art" = "eine Haltungsweiße". Dem ist aber eben nicht so.

    Auf Mantis religiosa bezogen: ein Stamm aus Ägypten, den man in Dresden aussetzt, der mag es dort vielleicht nicht packen.


    Blepharopsis (kann) eine Diapause machen. Muss aber nicht. Da die Diapause, wenn sie nicht richtig durchgeführt wird, dann sterben tendenziell mehr Tiere. Bei sinkenden Temperaturen stellen die Tiere den Wachstum und irgendwann das fressen ein. Hält man die Tiere zu lange in einem "Übergang", also nicht richtig kalt, aber auch nicht richtig warm, haben sie Probleme mit dem Stoffwechsel.

    Meines Wissens machen bei Blepharopsis vor allem die Larven eine Diapause und nicht die Ootheken. Da kann ich mich aber auch täuschen, ich habe es noch nicht ausprobiert. Ob das also funktioniert...? Man kann bei den meisten Arten nicht einfach "Entscheiden", ob nun Ootheken oder Larven überwintern sollen. So schaffen es zum Beispiel die Larven von Mantis religiosa nicht über den Winter, aber die Ootheken.


    Die Tatsache, dass in den Regionen in denen die Tiere vorkommen, auch über kürzere Zeiträume einmal niedrige(re) Temperaturen vorkommen, sollte keine Ausrede sein, die Tiere dauerhaft bei zu niedrigen Temperaturen zu halten.


    Beste Grüße,
    Regina

    "Jetzt koch ich Mama"

    Satzzeichen können Leben retten

  • Danke für die Anregungen.

    Bezogen auf B. m. war es eine Überlegung. Wenn ich die Tiere durchkriegen und Ootheken bekommen sollte, werde ich es einfach mal versuchen, diese unterschiedlich lange im Kühlschrank zu lagern und dann die Schlupfraten erfassen, sagen wir 0 - 5 Wochen bei sechs Ootheken.

    Inzwischen sind sie L6 :).

    Über M. r. sind so viele Informationen verfügbar, und sie leben fast vor der Haustür, deswegen habe ich mich darauf bezogen. In der Monografie von Berg/Schwarz/Mehl steht, daß die Art in Westafrika zwei, mitunter drei Reproduktionszyklen pro Jahr durchläuft, dann ohne Diapause (S. 331 unten), Die Variabilität und Anpassungsfähigkeit hat mich beeindruckt, die Überlegung, daß das nicht ein und dieselbe Unterart ist, d. h. das evolutionäre Potenzial nicht in jedem Individuum der gesamten Art steckt, kam mir nicht.

    (Insekten-sachsen.de hat tatsächlich auch zwei Meldungen aus dem Dresdner Elbtal, allerdings nicht von diesem Jahr.)