Salut Atlantis-Mantis,
>Lest ihr eigentlich nie richtige Literatur, nur dieses Internet-Zeugs?<
Puh, da haben Sie leider recht - mir persönlich ist richtige Literatur eigentlich zu schwer: inhaltlich wie formal. Aber "Nina und die Schildkröte" und "Mein Esel Benjamin" - die habe ich noch gedruckt gelesen. Was und wo die anderen lesen, kann ich nicht beurteilen. Hmmm, und findet dieses Forum nicht auch in diesen sogenannten Internet statt? Da findet man doch auch so Zeugs, dass sich äusserst vernünftig anhört,
wie...
>Wie bereits mehrfach von Mantodea-Spezialisten in diversen Arbeiten
betont, haben Mantodea ein Appositionsauge, das aber zu abendlicher
Pigmentwanderung fähig ist (deshalb die violetten Augen nachts), um
nachts die verbliebene Lichtmenge besser ausnützen zu können. Man könnte
im Prinzip von einer Art Restlichtverstärker sprechen. Dabei wird die
Pigmentkörnchen-Abschirmung in den Pigmentzellen der Einzelommatidien so
verändert, dass einfallendes Licht auch Nachbarommatidien erreicht und
damit mehr als ein Einzelauge anregt. Das entspricht nicht einem
optischen Superpositionsauge, wie es z. B. bei Nachtfaltern und
Neuropteren zu finden ist, sondern ist eine Spezialentwicklung des
Appositionsauges.<
Und jetzt ohne Ironie, das ist natürlich brilliant (für mein Verständnis als Laie) - und wenn Sie nicht damit beruflich zu tun haben - dann haben Sie Ihre Leidenschaft zur Wissenschaft gebracht. Ich glaube aber nicht, dass in diesen Forum generell dieses wissenschaftliche Niveau erwartet werden kann - denn dann wäre es doch auch fein, solche Arbeiten im Forum in einer eigenen Rubrik zu präsentieren. Aber natürlich ist es
einen ja unbenommen, sich auch ohne akademische Weihen z.B. "Norwegian
Journal of Entomology" reinzuziehen (gibt es auch ...psst... online einzusehen). Zum Glück sind die allermeisten wissenschaftlichen Arbeiten englisch publiziert.
>Jeder, der schon mal selber Mantiden gesucht hat, weiß, dass die bei
weitem meisten Arten am besten nachts zu finden sind, weil sie dann am
aktivsten sind und aus ihren Verstecken herauskommen.<
Das erklärt natürlich, wieso ich als Heranwachsender immer die gleiche Spezie gefunden habe... Aber diese Zeiten (Essigäther, Spannbrett, Ignoranz etc. ) sind lange vorbei,und ich suche meist nicht mehr aktiv in der Natur nach Fauna und Flora und kaufe lieber online.
>Am wenigsten
"nachtaktiv", also nachts relativ ruhig und nur selten beim Fressen
anzutreffen, sind die Blütenmantidenverwandten, also alles Richtung
Hymenopodidae und Empusidae. Trotzdem fressen auch diese nachts, wenn
ihnen eine Beute gerade vor die Nase läuft.
In der üblichen entomologischen Literatur wird nur das normale
Appositionsauge behandelt, und offenbar war das gerade im besagten
Internet-Artikel auch der Fall.<
Hmmm, in meiner sehr überschaubaren entomologischen "Bibliothek" [ die aus manchen Gedanken zu Spinnentieren (Bellmann, Stern), Marienkäfern (Nötzold) und zwei Kosmosführern (Spinnen, Schmetterlingen) besteht] konnte ich gar nicht spezielles dazu finden. Im Brockhaus von 1996 (den habe ich aber offengestanden nur der Buchrücken wegen, die sich in einer bürgerlichen Bücherwand famos ausmachen) findet man jedoch zu den Facetten- oder Komplexaugen nur die Unterscheidung zwischen den
Superpositions- im Gegensatz zu Appositonsaugen, OHNE Pigmentwanderung (wie Sie bereits ausgeführt haben). Die Unterscheidung zwischen neuronalen und optischen Superpositionsaugen fehlt oder war damals vielleicht noch nicht entdeckt/beschrieben. Der Internet-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Facettenauge, den ich der Beschreibung wegen herangezogen habe, beschreibt diese drei Unterscheidungen. Im übrigen wird dafür als Quelle Rüdiger Wehner, Walter Gehring: Zoologie. 22. Auflage. 1990, S. 407 ff. angegeben.
Mein Bekannter, der im -Naturkundemuseum Mensch und Natur München-
wissenschaftlicher Mitarbeiter ist (also der hat abgeschlossen und promoviert, und fährt nur der Leidenschaft wegen Taxi) hat hingegen wirklich eine beeindruckende Bibliothek (dennoch kein eigenes Werk über Mantiden..., aber Brockhaus UND Britannica - die Buchrücken sind auch nicht nach Farbe -wie bei mir- sortiert). Wirklich herrliche Literatur mit teils wunderschönen Drucken als Bebilderung - aber ehrlich gesagt, liest
sich der meiste Kram wie Frankfurter Schule an. Teils sogar mit Frakturschrift - bei aller Liebe zu Adorno und Typographie: das geht über meinen Horizont...
Insofern fürchte ich, wäre es Eulen nach Athen tragen Sie zu fragen, was Sie unter der üblichen entomologischen Literatur empfehlen, da es wohl einfach nicht für Laien geeignet wäre.
In der üblichen entomologischen Literatur wird nur das normale Appositionsauge behandelt, und offenbar war das gerade im besagten Internet-Artikel auch der Fall. Spezialanpassungen, wie jenes der Mantodea, gibt es aber auch, das steht meist in den dickeren Schwarten. Es stimmt also nicht, dass das Appositionsauge generell nicht fürs Nachtsehen geeignet ist, und die Einteilung "Taginsekten haben Appositionsaugen" und "Nachtaktive Insekten haben optische Superpositionsaugen" ist so gesehen stark vereinfacht und für all jene irreführend, die nicht wissen, wo sie die richtige Info bekommen.
Wie man sieht (hier auch ein Sorry für meine grammatikalischen, alternativen! Auslegungen und meine Zitatetechnik), bohre ich lieber dünnere Bretter als mich an dicken Entomologiewälzern abzuarbeiten - aber da ich ja auch etwas zu Anpassungsdruck faselte und mein "nicht geeignet " nicht mit "generell nicht" gleich zu setzen ist, finde ich "stark vereinfacht" und "irreführend" ein wenig polemisch. Und mit Ihren letzten Nebensatz tue ich mir als Agnostiker eher schwer - aber whatever - schon Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow sagte:
Ein Leben ohne Mantodea ist möglich, aber sinnlos.
Sorry, aber das steht genau so im Pschyrembel, direkt nach dem Artikel zur Steinlaus...